Die deutschen Kfz-Versicherer werden in diesem Jahr voraussichtlich einen Verlust von bis zu zwei Milliarden Euro machen. Das vermeldet aktuell der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Kfz-Versicherer flächendeckend mit Verlusten
„Nach unserer aktuellen Hochrechnung werden die Beitragseinnahmen auf rund 33,6 Milliarden Euro steigen – aber die Versicherer zwischen 34,9 und 35,6 Milliarden Euro für Schäden und Verwaltung ausgeben müssen“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Laut Statistik des GDV hatten die Versicherer 2023 im Kfz-Geschäft einen durchschnittlichen Verlust von 11 Prozent des gebuchten Beitrags zu verkraften. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Kfz-Versicherer einen Verlust in Höhe von über drei Milliarden Euro hinnehmen müssen.
Kostensteigerungen auf allen Ebenen
Grund für die schlechten Zahlen sind laut des GDV die seit Jahren steigenden Reparaturkosten. „Sowohl die Ersatzteile als auch die Arbeit in den Kfz-Werkstätten werden immer teurer. In diesem Jahr dürfte ein durchschnittlicher Sachschaden in der Kfz-Haftpflichtversicherung eines Pkw etwa 4.000 Euro kosten. 2014 waren es noch 2.500 Euro“, sagt Asmussen.
Der GDV lässt durchblicken, dass an weiteren Prämienerhöhungen kein Weg vorbei führen dürfte. Auch wenn deren Festlegung stets eine unternehmensindividuelle Entscheidung jedes einzelnen Versicherers und nicht Sache des Verbandes sei, gebe es selbstverständlich einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Schäden und den Beiträgen für eine Kfz-Versicherung, sagt Asmussen. Zudem erwarte auch die Versicherungsaufsicht Bafin von den Kfz-Versicherern, die Schadeninflation bei der Kalkulation ihrer Prämien angemessen zu berücksichtigen.
Marktführer verliert halbe Milliarde
Die GDV-Prognose kommt zu einer Zeit, in der die Gesellschaften ihre Geschäftszahlen für 2023 vorlegen. Diese zeigen, wie dramatisch die Lage wirklich ist. Allen voran beim Marktführer in der Kfz-Versicherung, der Huk-Coburg. Das Unternehmen machte in seiner Kernsparte einen Verlust von 547 Millionen Euro.
„Wir haben die Schadenentwicklung falsch eingeschätzt“, sagte Vorstandschef Klaus-Jürgen Heitmann bei der Bilanzpressekonferenz diese Woche. Ende 2022 hatte der Konzern die Preise für das vergangene Jahr zwar um durchschnittlich 5 Prozent angehoben. „Das battle aber allein durch die gestiegene Zahl der Schäden schon wieder weg, die ebenfalls um 5 Prozent zunahmen.“ Noch viel stärker ins Gewicht fiel die Preisentwicklung für Unfallschäden. Durch die Inflation stieg der Aufwand professional Schaden um 10 Prozent. Die Gründe liegen in steigenden Kosten für die Pflege und Betreuung von langzeitverletzten Unfallopfern, bei Werkstattreparaturen und für Ersatzteilpreise. Hinzu kommen laut der Huk-Coburg Unwetterschäden, vor allem mehr und heftigere Hagelschläge.
Huk-Coburg behauptet Probleme bei Schadenbearbeitung gelöst zu haben
Wie berichtet, hatte die Schadenabteilung des fränkischen Versicherers damit in der Vergangenheit eklatante Probleme. Es dauerte Stunden, bis jemand ans Telefon ging, und Monate, bis Schäden reguliert wurden. Offenbar hatte der Versicherer es versäumt, das Private in diesem Bereich rechtzeitig aufzustocken. Heitmann griff das Thema bei Bilanzpressekonferenz auf: „Wir sind davon ausgegangen, dass wir 2023 in eine Seitwärtsbewegung der Schadenhäufigkeit eintreten“, sagte er. Mit einer Rückkehr zu den Zahlen vor der Pandemie hatte das Unternehmen erst langfristig gerechnet. Doch diese Erwartung erfüllt sich nicht. Inzwischen seien die Probleme im Schadenservice jedoch gelöst.
Das Defizit in der Kfz-Sparte verkraftete die Huk-Coburg derweil intestine. Der Versicherer konnte Reserven aus besseren Vorjahren auflösen und deutlich höhere Kapitalerträge verbuchen. Unter dem Strich stand ein Umsatz von neun Milliarden Euro, ein Plus von 6 Prozent, und ein verdoppelter Gesamtgewinn nach Steuern von 300 Millionen Euro.
Weitere starke Prämienanpassungen angekündigt
Entwarnung ist allerdings nicht in Sicht: Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, müsse der Versicherer wie die gesamte Branche auch für 2025 und möglicherweise 2026 mit einem Minus in der Kfz-Versicherung rechnen. Der Marktführer steuere bereits kräftig gegen. Ende 2023 erhöhte er die Preise für 2024 um actual 10 Prozent. Dabei soll es nicht bleiben. Vorstandsmitglied Jörg Rheinländer: „Wir gehen davon aus, dass wir durchaus nochmal Beitragspreisanpassungsrunden wie dieses Jahr auch im nächsten Jahr, eventuell auch im übernächsten Jahr sehen werden.“ In dem preissensitiven Markt mit vielen wechselbereiten Kunden ein gefährliches Spiel. Schon 2023 legte die Huk für ihre Verhältnisse nur magere 200.000 Fahrzeuge netto im Bestand zu.
Riesenwachstum bewahrt Itzehoer nicht vor Verlusten
Doch selbst die erfolgreichsten Kfz-Versicherer müssen derzeit Verluste verbuchen. Das zeigt das Beispiel Itzehoer Versicherungen. Zwar nannte das Unternehmen keine genaue Zahl für die Kfz-Sparte, aber: „Von der defizitären State of affairs im Gesamtmarkt konnten wir uns nicht abkoppeln“, sagte der Vorstandsvorsitzende Uwe Ludka bei der gestrigen Bilanzpressekonferenz.
Dabei lag das Beitragswachstum 2023 bei sattem 12,3 Prozent auf 492,7 Millionen Euro. Im Neugeschäft lag der Regionalversicherer mit einem Zuwachs von über 130.000 versicherten Risiken sogar vor dem Zweiten der Branche, der Allianz. Kehrseite des Rekordwachstums battle eine signifikante Zunahme der Schadenaufwendungen in der Kfz-Versicherung, die durch das schnelle Wachstum sogar noch begünstigt wurde.
Gewinne erst wieder 2025
Die Itzehoer hat darauf nach eigenen Angben mit zunächst moderaten Beitragsanpassungen reagiert. Ludka: „Wir konnten uns das erlauben, weil wir in der Corona-Pandemie zuvor einen umgekehrten Effekt in Type niedriger Schadenaufwendungen gehabt hatten.“ Schwankungsrückstellungen, die damals aufgebaut wurden, hätten die Itzehoer Versicherungen nun durch die Entnahme von 43,9 Millionen Euro wieder zurückgeführt.
Doch noch immer sei das kostendeckende Niveau nicht erreicht. „Eine State of affairs wie im Jahr 2023, in dem wir in der Kfz-Sparte je Beitrags-Euro 12,5 Cent verloren haben, macht für uns weitere Beitragsanpassungen im laufenden Jahr unumgänglich. Trotz dieser Gegenmaßnahmen werden wir in der Kfz-Versicherung auch 2024 vor Schwankungsrückstellungen noch einen versicherungstechnischen Verlust auszuweisen haben“, so Ludka. 2025 wolle man dann in die Profitabilität zurückkehren.