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Aktuelles zur Umsetzung der inklusiven Bildung
Deutschland hat sich mit der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, ein inklusives Schulsystem aufzubauen. Doch wird diese Verpflichtung eingehalten? Diese Frage wird regelmäßig von den Vereinten Nationen in den Unterzeichnerstaaten überprüft.
Am 29. und 30. August 2023 findet die Staatenprüfung Deutschlands zur UN-Behindertenrechtskonvention im zweiten Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf statt. Eine Delegation der Bundesregierung muss darlegen, wie das Land die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umsetzt. In der Konvention hat Deutschland sich unter anderem verpflichtet, ein inklusives Schulsystem aufzubauen und Schülerinnen mit Behinderung am Wohnort gemeinsam mit den anderen Schülerinnen inklusiv zu unterrichten und zu fördern. Es ist bereits die zweite Prüfung seit 2018.
2019 hatte die Bundesregierung einen Bericht vorgelegt, in dem Fragen des UN-Ausschusses beantwortet wurden. Im Frühjahr 2023 gab es zusätzlich ein aktualisiertes Maßnahmenpapier, da zwischen dem Bericht von 2019 und dem Treffen in Genf 2023 ein so großer Zeitraum liegt. Die Bundesregierung verweist darin vor allem auf länderübergreifende Empfehlungen der KKM zur Bildungsteilhabe, zur Beratung oder auch zur Lehrkräftebildung in Bezug auf Inklusion. Danach ist Deutschland auf dem richtigen Weg. Zur konkreten Umsetzung in den Bundesländern steht dort allerdings wenig. Die Berichte sind öffentlich einsehbar.
Daneben gibt es einen Parallelbericht von unabhängiger Stelle, der deutlich kritischer ausfällt. Für das Monitoring der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ist das Institut für Menschenrechte zuständig. In dem Bericht heißt es unter anderem:
- Deutschland sei geprägt von einem ausdifferenzierten System von Förderschulen für Kinder mit Behinderungen. „Eine Transformation hin zu einem inklusiven Schulsystem findet nicht statt.“ Die Datenlage zeige, dass im Bundesdurchschnitt aktuell noch immer mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischer Förderung an einer Förderschule unterrichtet wird. Der Anteil von Kindern in Förderschulen steige in einigen Bundesländern sogar.
- Förderschulen würden darüber hinaus als vermeintlicher Teil eines inklusiven Methods behandelt und mit dem Elternwahlrecht auf diese Schulform gerechtfertigt. Damit zusammenhängend gebe es außer in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg keinen Rechtsanspruch auf eine inklusive Beschulung und angemessene Vorkehrungen. Stattdessen werde auf Ressourcenvorbehalte verwiesen, auf das Elternwahlrecht oder auf die Einrichtung von inklusiven Schwerpunktschulen, die nur an einzelnen Standorten angeboten werden und eine Sonderstruktur im Regelschulsystem darstellen.
- Mangels Daten sei auch nicht klar, in welchem Umfang Schulen in Deutschland barrierefrei sind.
- Die überwiegende Mehrheit (72,7 %) der Förderschülerinnen und Förderschüler verlasse die Schule ohne anerkannten Abschluss. Allgemeinbildende Lehrkräfte würden noch nicht verpflichtend inklusionspädagogisch aus- und fortgebildet.
Eltern aus acht Bundesländern haben sich in Genf verabredet, um direkt vor dem UNO-Gebäude öffentlich zu machen, wie wenig Deutschland dafür tut, Kinder und Jugendliche mit Behinderung in die allgemeinen Schulen zu integrieren. Ein Bündnis von Eltern hat über den Verein mittendrin e.V. eine eigene Stellungnahme an den UN-Fachausschuss geschickt, in der sie auf die ernüchternde Bilanz aktueller Studien hinweisen und die in die Prüfung miteinbezogen werden soll.
Empirische Studien zur Umsetzung der Inklusion
Wie hat sich die schulische Inklusion in Deutschland seit Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im März 2009 entwickelt? Diese Frage wird regelmäßig in empirischen Studien beleuchtet.
Der Bildungsforscher Klaus Klemm hat zum Beispiel wiederholt die dazu vorliegenden Daten der Kultusministerkonferenz (KMK) analysiert, zuletzt für das Schuljahr 2019/20.
Im September 2021 veröffentlichte das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) eine Studie mit dem Titel „Die Umsetzung schulischer Inklusion nach der UN-Behindertenrechtskonvention in deutschen Bundesländern“.
Die Untersuchungen belegen: Die Umsetzung der schulischen Inklusion verläuft in Deutschland insgesamt sehr schleppend. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Die jüngste Untersuchung des Inklusionsexperten Hans Wocken in Bayern zeigt, dass es selbst innerhalb der Bundesländer extrem unterschiedliche Entwicklungen bei der Inklusion an Schulen gibt.
Das passt zur aktuellen Befragung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), die am 3o. Mai 2022 veröffentlicht wurde. Demnach fühlen sich Lehrkräfte bei der Inklusion von Menschen mit Behinderung alleingelassen. Der BLLV bezieht sich dabei auf eine Befragung von 695 Lehrkräften zum schulischen Alltag. Inklusion wird heute nur durch den Einsatz und den pädagogischen Idealismus von Lehrerinnen und Lehrern am Leben gehalten
, so die Vorsitzende des BLLV, Simone Fleischmann. Inklusion dürfe kein Sparmodell sein, sagte sie ans bayerische Kultusministerium gerichtet.
97 Prozent der befragten Lehrkräfte halten laut BLLV die Inklusion unter den derzeitigen Rahmenbedingungen für nicht realisierbar. Lediglich von Schulleitung, Kollegium und Schulberatung vor Ort fühlten sich die Lehrkräfte unterstützt. Doch es fehle vor allem an Private, guten Fortbildungsangeboten und Zeit.
Auch Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf werden laut Umfrage bei der Klassenbildung kaum berücksichtigt. So seien inklusive Klassen meist genau so groß wie nicht-inklusive. Lehrkräfte hätten dann nicht mehr Zeit, sich den einzelnen, förderbedürftigen Kindern zu widmen. Der BLLV fordert daher, dass bei Budgetierung und Stundenzuweisung an den Schulen Kinder mit Förderbedarf dreifach gezählt werden. So hätten die Lehrkräfte mehr Zeit, diese Kinder bedarfsgerecht zu fördern.
Der Freistaat hat seit 2011 rund 1.100 neue Stellen für die Umsetzung der Inklusion bereitgestellt, teilte das bayerische Kultusministerium mit. Ein großer Teil dieser Stellen werde mit Lehrkräften für Sonderpädagogik oder Lehrkräften zur Unterstützung von Einzelinklusion besetzt. Ebenso sei das Thema Inklusion fester Bestandteil der Lehrerbildung.
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