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Seligenstadt – Die Budgetierung des ambulanten Operierens gehört aufgehoben, Kooperationen zwischen ambulantem und stationärem Bereich sollten ausgebaut werden. Diese Meinung vertritt Thomas Wiederspahn-Wilz, der Erste Vorsitzende des Verbands von operativ und anästhesiologisch tätigen niedergelassenen Fachärzten in Deutschland (LAOH). Wiederspahn-Wilz ist niedergelassener Anästhesist im hessischen Seligenstadt und betreibt dort zusammen mit Kollegen eine Privatklinik mit angeschlossenen Facharztpraxen.
Fünf Fragen an Dr. med. Thomas Wiederspahn-Wilz
Thomas Wiederspahn-Wilz
DÄ: Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hat vor kurzem angekündigt, dass die Budgetierung für ambulante Operationen 2012 aufgehoben werden soll. Gehen Sie davon aus, dass es wirklich so kommen wird?
Wiederspahn-Wilz: Da bin ich skeptisch. Ich gehe davon aus, dass der Minister dies zwar will, aber ob er es auch tatsächlich umsetzen kann, wage ich zu bezweifeln. Die Krankenhäuser denken nicht daran, einen Teil ihrer Einnahmen den niedergelassenen ambulanten Operateuren zu überlassen, auch wenn diese kostengünstiger operieren und dies für den Patienten effektiver und mit weniger Infektionen verbunden ist.
Das liegt im Übrigen nicht daran, dass die Kollegen in den Krankenhäusern schlechter arbeiten als wir, sondern daran, dass dort eine andere Infrastruktur vorgehalten werden muss, um zum Beispiel auch schwerstkranke Patienten zu versorgen. Nur: Wer eine solche Struktur nicht braucht, den kann man auch ambulant operieren.
DÄ: Der Minister hat in einem der Positionspapiere, die im Second kursieren, Folgendes vorgeschlagen: Man solle einen eigenen Bereich namens „spezialisierte ambulante fachärztliche Versorgung“ schaffen, um Konflikte zwischen ambulantem und stationärem Sektor in diesem Bereich zu lösen. So ließe sich beispielsweise für die Krankenhäuser eine Artwork Investitionskostenabschlag vorsehen, um niedergelassene ambulante Operateure nicht länger zu benachteiligen, wenn sie gleiche Leistungen wie die Klinikkollegen anbieten. Auch eine sektorübergreifende, einheitliche Gebührensystematik soll es geben. Was halten Sie von diesen Vorschlägen?
Wiederspahn-Wilz: Sie gehen zwar grundsätzlich in die richtige Richtung, indem die Vergütungsunterschiede zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen in Bezug auf das ambulante Operieren minimiert oder vielleicht sogar aufgehoben werden. Doch ein Abschlag für die Krankenhäuser wäre falsch.
Die Vergütung, auch für ambulante Operationen, beruht bekanntlich auf Berechnungen, die einen Punktwert von 5,11 Cent als betriebswirtschaftlich sinnvoll zugrunde legten. Die Foundation der heutigen Honorare ist ein Orientierungswert von etwa 3,5 Cent. Wenn man additionally eine Vergütung, die sowieso schon auf einem zu niedrigen Punktwert basiert, noch mit einem Abschlag belegt, dann weiß ich nicht, wie Krankenhäuser damit wirtschaften sollen.
Denn eines ist doch klar: Auch ein Krankenhaus muss kostendeckend arbeiten. Das ambulante Operieren im Krankenhaus deckt schon heute die Kosten nicht. Umgekehrt würde daraus ein Schuh: Der ambulante Bereich benötigt einen Investitionszuschlag. Mittelfristig muss man meiner Meinung nach wegkommen von der dualen Finanzierung für die Kliniken hin zu einer monistischen Finanzierung durch die Krankenkassen. Dann wäre ein Stück Wettbewerbsverzerrung, die wir bislang in diesem Bereich noch verzeichnen, beseitigt.
DÄ: Wie gehen die ambulanten Operateure und Anästhesisten in Ihrem Verband mit der Budgetierung in diesem Jahr um?
Wiederspahn-Wilz: Wir überlegen schon, welche Patienten wir im ambulanten Bereich möglicherweise nicht versorgen können und ins Krankenhaus einweisen müssen. Unser Berufsverband hat am 1. Januar eine Studie in Südhessen begonnen, für die wir erfassen, welche Patienten aus welchen Gründen nicht ambulant operiert werden, sondern an ein Krankenhaus verwiesen werden zur stationären Behandlung. Wir werden auch errechnen, welche Mehrkosten dadurch entstehen. Dann wird man sehen, wozu das verkorkste GKV-Finanzierungsgesetz an dieser Stelle geführt hat.
DÄ: Die Überwindung der Sektorengrenzen gilt als eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben im Gesundheitswesen. Ambulante Operationen erscheinen vielen in diesem Zusammenhang als ein wichtiger Ausbaubereich. Bei aller verständlichen Kritik an einer zu geringen Vergütung: Was hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren zum Positiven hin bewegt?
Wiederspahn-Wilz: Ich finde die Einsicht wichtig, dass man einen Patienten, der nicht unbedingt stationär versorgt werden muss, tatsächlich ambulant operiert und somit auch von möglichen Klinikrisiken wie bestimmten Infektionen fernhält. Dass es für zahlreiche Patienten ambulant schneller und mit geringerem Risiko geht, ist unsere wichtige Botschaft. Sie ist auch durchaus angekommen, wie man beispielsweise in Hessen, wo ich tätig bin, an zahlreichen Verträgen mit den Krankenkassen sehen kann.
Wir haben als Berufsverband mit der Techniker Krankenkasse, mit der KKH-Allianz und mit Betriebskrankenkassen Integrationsverträge geschlossen, um ein paar große Kooperationspartner zu nennen. Mittlerweile ist ein ganzer Strauß von Verträgen entstanden, die vielen Patienten Vorteile bieten.
Ich selbst betreibe mit mehreren Kollegen eine Privatklinik, zugelassen nach § 30 der Gewerbeordnung, aber nicht im Bettenbedarfsplan des Landes Hessen aufgeführt. Das heißt: Wir können mit den Krankenkassen nicht direkt abrechnen. Integrationsverträge bieten die Möglichkeit, gesetzlich krankenversicherten Patienten die Angebote unserer Klinik zugute kommen zu lassen.
Außerdem hat das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz uns viele Möglichkeiten eröffnet. Unsere Klinik in Seligenstadt kooperiert zum Beispiel mit dem Städtischen Klinikum Offenbach, einem Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums Frankfurt, und dem Nord-West-Krankenhaus in Frankfurt am Foremost. Im Rahmen dieser Kooperationen nehmen wir unsere Grenzen sehr genau wahr und überweisen Patienten in die Klinik, wenn es das Richtige ist.
Auf der anderen Seite sind unsere Kooperationspartner zufrieden damit, bei uns beispielsweise eine Spezialsprechstunde anbieten zu können. So berät ein Oberarzt des Klinikums Offenbach bei uns Patienten mit Hüft- und Knieproblemen, die operiert werden müssen, im Rahmen einer solchen Sprechstunde, und operiert dann entweder in seiner Klinik oder persönlich in unserem Haus. Damit sind alle sehr zufrieden: Seine Klinik und wir, aber ebenso die Patienten.
DÄ: Kooperationen zwischen ambulantem und stationärem Sektor sind einerseits erwünscht, werden aber auch kritisch beäugt. So wird moniert, dass man Patienten im Rahmen von Kooperationen lenkt, sie aber nicht ausreichend über solche Absprachen und Verträge informiert. Außerdem sind Kooperationen teilweise wegen Zahlungen von Kliniken an anweisende Vertragsärzte ins Gerede gekommen. Wie geht Ihr Verband mit diesem Thema um?
Wiederspahn-Wilz: Ich beantworte die Frage mit einem Hinweis darauf, wie wir in der Praxis kooperieren: In den Verträgen, die wir abgeschlossen haben, sind zum Teil Hausärzte beteiligt. Das heißt, die präoperative Untersuchung beim Hausarzt ist Bestandteil des Vertrages. Wenn der Affected person vom Operateur zum Hausarzt geschickt wird, bekommt er eine Data mit folgendem Inhalt, etwas salopp dargestellt: „Lieber Hausarzt, ich habe mich für eine ambulante Operation entschieden. Ich nehme an einem Integrationsvertrag teil, der vorsieht, dass Du die präoperativen Untersuchungen übernimmst.“ Auf dieser Foundation rechnet der Hausarzt dann mit dem Operateur entsprechend der Gebührenordnung für Ärzte ab. Er muss Sorge dafür tragen, dass er nicht noch auf Foundation des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs mit seiner Kassenärztlichen Vereinigung abrechnet, mehr nicht.
Zuweiserpauschalen von Krankenhäusern an niedergelassene Ärzte, die Patienten einweisen, das geht nicht. Wenn ich einem Patienten eine Empfehlung gebe, sich irgendwo behandeln oder operieren zu lassen, dann erwartet er, dass ich das aus einem medizinischen Grund heraus mache und nicht, dass ich dafür zehn oder 100 oder wie viel Euro auch immer bekomme.
Alles andere ist abzulehnen. Etwas anderes ist es, wenn ich als niedergelassener Arzt für den stationären Sektor Arbeiten übernehme. Dann muss die Klinik diese auch bezahlen. Da gibt es sicher ein Spannungsfeld. Es wird nicht umsonst gerade von Juristen aufgearbeitet, was erlaubt ist und was ist nicht. © Rie/aerzteblatt.de
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