Die Vorteile des Schweizerfrankens als Secure-Haven-Währung liegen nicht nur in der Inflationsbekämpfung oder der politischen Neutralität, sondern auch in einer berechenbaren Geldpolitik. Dies müsste die SNB hinsichtlich ihrer Kommunikationspolitik stärker berücksichtigen.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im März als erste der G-10-Zentralbanken ihren Leitzins wieder gesenkt. Obwohl die Schweizer Inflationsrate bereits seit Juni 2023 unter 2 Prozent liegt und damit die niedrigste in dieser Ländergruppe ist, hat die Zinssenkung die Mehrheit der Ökonomen und die Finanzmärkte überrascht.
Bereits die Entscheidung im September 2023, den Leitzins unverändert zu lassen, nachdem die EZB ihren Zins erhöht hatte, oder jene, den Leitzins im Juni 2022 zu erhöhen, bevor sich die EZB dazu entschliessen konnte, waren von den Märkten nicht erwartet worden. In allen drei Fällen ist es zu Kurssprüngen beim Schweizerfranken gekommen.
Finanzmärkte und Reaktionsfunktion
Die Entscheidungen sind weder unangemessen noch unzeitgemäss oder nicht vorhersehbar gewesen (tatsächlich hatten wir alle drei richtig prognostiziert). Die SNB conflict auch in der Lage, sie auf ihren Pressekonferenzen intestine zu erklären, und wird für ihren Mut, frühzeitig und unabhängig von der EZB zu handeln, respektiert. Allerdings wird sie offensichtlich nicht dem Anspruch gerecht, dass die Finanzmärkte ihre Reaktionsfunktion klar verstehen.
Die SNB emittiert eine Währung, die Zentralbanken vieler Länder als Teil ihrer offiziellen Devisenreserven halten. Zudem wird der Franken aufgrund seiner Stabilität und seines Standing als sicherer Hafen nicht nur in Krisenzeiten regelmässig von privaten Anlegern nachgefragt.
Emittent einer Währung zu sein, die weltweit als sichere Anlage gilt, ist für ein Land mit nur knapp neun Millionen Einwohnern ein aussergewöhnliches Privileg, das es nicht als selbstverständlich ansehen sollte. Es stimmt, dass die Schweiz dieses Privileg anders nutzt als die USA. Die privaten Haushalte und die Regierung konsumieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten, so dass die Leistungsbilanz in den letzten 43 Jahren einen Überschuss aufwies.
Die Attraktivität des Schweizerfrankens bedeutet, dass Haushalte und Unternehmen in den Genuss niedriger Realzinsen, eines regelmässig aufwertenden Wechselkurses und infolgedessen auch niedrigerer Inflationsraten als in anderen Ländern kommen. Darüber hinaus profitiert die Schweiz in hohem Masse von Seigniorage-Einnahmen. 1000-Franken-Geldscheine machen die Hälfte des Bargeldumlaufs aus, was bemerkenswert ist für ein Land, in dem auch kleine Beträge meist bargeldlos bezahlt werden.
Die SNB sollte diese Vorteile bewahren, indem sie ihre Geldpolitik transparenter gestaltet und damit das Risiko plötzlicher Wechselkursschwankungen verringert. Wenn grosse Teile der Finanzmärkte von zentralen Entscheidungen wie Zinswenden der Nationalbank wiederholt überrascht werden, heisst das, dass sie die Bedeutung ihrer Kommunikationspolitik nicht ernst genug nimmt.
Das bedeutet nicht, dass sie Gerüchte durchsickern lassen sollte, um Markterwartungen zu beeinflussen, wie es andere Zentralbanken gelegentlich tun. Die SNB kann sogar stolz darauf sein, dass es im Vorfeld ihrer vierteljährlichen Sitzungen absolut keine undichten Stellen gibt. Es gibt auch gute Gründe dafür, dass sie nicht vorausschauend kommuniziert. Die Märkte müssen jedoch besser verstehen, warum diese «Ahead Steering» nicht zu ihrem geldpolitischen Instrumentarium gehört und was dies für ihre Kommunikationspolitik bedeutet.
Vorteile einer Secure-Haven-Währung
In einer Welt, in der andere Zentralbanken viel häufiger und offener kommunizieren, in einer Zeit, in der Nachrichten ständig wiederholt, geteilt und diskutiert werden, kann die Nationalbank «nicht nicht kommunizieren». Ihr Schweigen wird offensichtlich leicht fehlinterpretiert. Für das Jahr 2023 findet man auf der Web site der SNB nur acht Reden von Mitgliedern des Direktoriums. Dies ist nicht viel für ein Jahr, in dem die SNB massgeblich an der Rettung einer der grossen globalen Banken beteiligt conflict. Interviews von Direktoriumsmitgliedern sind auf der SNB-Web site anders als bei der EZB überhaupt nicht zu finden.
Auch in den sozialen Netzwerken ist die SNB weitgehend abwesend. Marktteilnehmer in der Schweiz, die einen leichteren Zugang zu den lokalen Medien, zu den SNB-Geldmarkt- und SNB-Watcher-Konferenzen oder anderen öffentlichen Auftritten von SNB-Vertretern haben, verstehen ihren politischen Ansatz vielleicht ein wenig besser. Dennoch waren auch die meisten von ihnen von der jüngsten Leitzinssenkung überrascht.
Die SNB sollte realisieren, dass die Vorteile einer Secure-Haven-Währung nicht nur in der Inflationsbekämpfung oder der politischen Neutralität der Schweiz liegen. Sie beruhen auch auf einer berechenbaren Geldpolitik, die das Risiko scheinbar willkürlicher Einflüsse auf den Wechselkurs reduziert.
Der Nachfolger des SNB-Präsidenten Thomas Jordan sollte stärker berücksichtigen, dass Kommunikation in der heutigen Welt zu einem wesentlichen Bestandteil des politischen Instrumentariums jeder Zentralbank geworden ist und dass das Direktorium der SNB zukünftig stärker mit den globalen Finanzmärkten kommunizieren sollte.
Karsten Junius ist Chefvolkswirt bei der Financial institution J. Safra Sarasin, Zürich.