Eigenmietwert abschaffen
Der Systemwechsel weg von der Besteuerung des Eigenmietwerts ist aus verschiedenen Gründen geboten und überfällig. Doch die Chancen, dass dies endlich gelingt, stehen nicht überaus intestine.
Die Besteuerung des Eigenmietwerts steht seit Langem quer im Raum. Die Besteuerung von Einkommen ohne Zufluss von Geld kann besonders für pensionierte Hausbesitzer ein Drawback darstellen. Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Marktmiete führt zudem zu vielen Ungleichbehandlungen, die verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigen sind. Schliesslich führt die Eigenmietwertbesteuerung zu Verschuldungsanreizen und stellt somit ein Risiko für die Finanzstabilität der Schweiz dar. Aus all diesen Gründen ist ein konsequenter Systemwechsel geboten.
Nach geltendem Recht ist der Mietwert einer selbst genutzten Liegenschaft steuerbares Einkommen. Begründet wird dies mit der Reinvermögenszugangstheorie, wonach sämtliche Vermögenszugänge steuerbar sind. Hierzu gehören auch die Nutzungswerte, da auch diese die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen. Der Hauseigentümer erspart sich nämlich die Kosten für die Miete einer Wohnung. Mithin handelt es sich beim Eigenmietwert entgegen der landläufigen Meinung nicht um «fiktives» Einkommen, sondern durchaus um eine Kind von Naturaleinkommen. Da dem Hauseigentümer aber keine liquiden Mittel zufliessen, handelt es sich letztlich um sogenanntes «dry revenue».
Im Gegenzug kann der Hauseigentümer die Unterhaltskosten der Liegenschaft sowie die Hypothekarzinsen zum Abzug bringen. Dabei ist es möglich, dass der Abzug für Unterhaltskosten und Hypothekarzinsen höher als der Eigenmietwert ist.
Schwere Belastung für Rentner
Die Eigenmietwertbesteuerung steht seit Langem in der Kritik. Auch in der Wintersession hat sich der Ständerat wieder mit einer parlamentarischen Initiative zu befassen, die den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung fordert.
«Es wird wenig Verständnis dafür aufgebracht, dass auf einem reinen Naturaleinkommen eine Steuer zu entrichten ist.»
Kritisiert wird namentlich, dass das geltende System Wohneigentum mit hoher Hypothekenlast privilegiert. Aus steuerlicher Sicht ist die Amortisation von Hypotheken deshalb unattraktiv. Dieser Verschuldungsanreiz führt zu einer im internationalen Vergleich sehr hohen Privatverschuldung in der Schweiz, was im Hinblick auf die Finanzstabilität des Landes problematisch ist und deshalb von OECD und Worldwide Financial Fund moniert wird.
Ein weiterer Kritikpunkt der Eigenmietwertbesteuerung ist die sogenannte Rentnerproblematik. Haben Rentner mit bloss bescheidenem Realeinkommen die Hypothek weitgehend amortisiert, kann die Eigenmietwertbesteuerung zu einer kaum mehr tragbaren Steuerbelastung führen. Gewisse Kantone wollten diese Problematik durch Härtefallregelungen entschärfen. Das Bundesgericht hat aber die Tessiner Härtefallregelung vor Kurzem als verfassungswidrig eingestuft. Mithin sind Härtefallregelungen kein tauglicher Weg zur Lösung der Rentnerproblematik.
Vorstösse bisher alle gescheitert
Die Ermittlung des Eigenmietwerts ist in der Praxis zudem ein nicht ganz einfaches Unterfangen und mit grossem Aufwand verbunden. Um Überbesteuerungen im Einzelfall zu vermeiden, setzen viele Kantone den Eigenmietwert daher bewusst unter dem Marktmietwert an. In Kombination mit dem Abzug für den Liegenschaftsunterhalt sowie den Hypothekarzinsen führt dies nun wiederum zu einer Ungleichbehandlung von Wohneigentümern gegenüber Mietern, die verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen ist.
Zu guter Letzt ist die Akzeptanz der Eigenmietwertbesteuerung bei den Steuerpflichtigen gering. Im Allgemeinen wird wenig Verständnis dafür aufgebracht, dass auf einem reinen Naturaleinkommen eine Steuer zu entrichten ist. Dies hat seit Jahrzehnten zu vielen politischen Vorstössen geführt, welche die Eigenmietwertbesteuerung fordern, doch bislang immer gescheitert sind.
Problematik der Zweitwohnungen
Aktuell berät das Parlament über eine von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats vor fünf Jahren eingereichte parlamentarische Initiative. Diese wollte aber die Eigenmietwertbesteuerung nur für den Erstwohnsitz abschaffen und für selbst genutzte Zweitliegenschaften beibehalten. Hintergrund sind die Partikularinteressen der Tourismuskantone, die im Ständerat überproportional stark vertreten sind. Ein solcher bloss partieller Systemwechsel ist aber kaum mit dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichbehandlungsgebot zu vereinen. Zu Recht hat der Nationalrat daher einen konsequenten Systemwechsel verlangt.
Da die vorbereitende Kommission des Ständerats aber an der Ausklammerung von Zweitwohnungen festhält, muss davon ausgegangen werden, dass der Ständerat in der Wintersession die Differenz zum Nationalrat nicht bereinigen wird. Nötig ist dies nicht, um den berechtigten fiskalischen Interessen der Tourismuskantone gerecht zu werden. Es wäre nämlich durchaus möglich, die durch die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung entstehenden Steuerausfälle auf anderem Weg mindestens teilweise zu kompensieren. Denkbar wäre beispielsweise die Erhebung einer speziellen Vermögenssteuer im Sinne einer Liegenschaftssteuer.
Unterhalts- und Schuldzinsenabzug streichen
Weitgehend unbestritten ist, dass die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung zur Folge haben muss, dass Kosten für den Liegenschaftsunterhalt künftig nicht mehr abzugsfähig sein werden. Ebenfalls klar ist, dass es auch die im Zusammenhang mit dem Wohneigentum stehenden Schuldzinsen grundsätzlich nicht mehr zum Abzug zugelassen werden können. Führen Schuldzinsen aber zu steuerbaren Vermögenserträgen aus beweglichem Vermögen, wie z. B. Wertschriften oder vermieteten Liegenschaften, handelt es sich dabei weiterhin um abzugsfähige Gewinnungskosten. Mithin braucht es beim Schuldzinsenabzug eine differenzierte Lösung.
Nicht sachgerecht wäre es, bloss den Abzug der Hypothekarzinsen auf der selbstbewohnten Liegenschaft nicht mehr zuzulassen. Eine direkte Zuordnung dieser Zinsen zum daraus resultierenden Ertrag ist nämlich nicht möglich. So könnte ein solches System dazu führen, dass die Hypothek auf der selbstbewohnten Liegenschaft weitgehend amortisiert wird und dafür allfällige andere Vermögenswerte wie z. B. vermietete Liegenschaften oder Wertschriften zu belehnen und so weiterhin der Zinsabzug geltend gemacht werden könnte.
Unübliches System
Dieser Problematik könnte relativ einfach durch eine quotale Kürzung des Schuldzinsenabzugs gelöst werden. Der Schuldzinsenabzug könnte bspw. im Umfang des Eigenheims am Gesamtvermögen des Steuerpflichtigen gekürzt werden. Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wurden dagegen pauschale Ansätze vorgeschlagen. So favorisiert der Ständerat bspw. ein System, bei dem der Schuldzinsenabzug auf 70% der steuerbaren Vermögenserträge beschränkt wird. Ob eine solch pauschale Kürzung zu einem sachgerechten Ergebnis führt, darf aber bezweifelt werden. Da auch eine quotale Kürzung mit relativ geringem Aufwand umgesetzt werden könnte, verdient diese klarerweise den Vorzug.
Das schweizerische System Besteuerung des Eigenmietwerts von Erst- und Zweitwohnsitz zum Marktmietwert ist höchst unüblich. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass seit Jahrzehnten ein Systemwechsel gefordert wird. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger, und so ist fraglich, ob dem derzeit vom Parlament behandelten Vorstoss für einen Systemwechsel mehr Glück beschieden ist als seinen Vorgängern. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es nicht gelungen ist, die für ein solches Geschäft politisch ideale Niedrigzinsphase der letzten Jahre auszunutzen. Schliesslich sind auch noch die regionalpolitischen Anliegen der Tourismuskantone zu berücksichtigen, die einer Mehrheit im Ständerat für einen konsequenten Systemwechsel unter Einbezug der Zweitwohnungen entgegenstehen dürften.
Stefan Oesterhelt ist Rechtsanwalt und Accomplice von Homburger AG.
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